In der Ausschusssitzung Bauen, Planen und Wohnen am Donnerstag der letzten Woche zeigte sich eindrucksvoll, wie wichtig die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am politischen Prozess in unserer Gemeinde ist. Nachdem die Zuschauerreihen Corona-bedingt zwei Jahre lang bei Ausschuss- und Ratssitzungen nur spärlich besetzt waren (maximal zehn Gäste), saßen vergangene Woche deutlich über sechzig Bürgerinnen und Bürger im Zuschauerbereich der Aula unserer Gesamtschule. Die meisten kamen aus Seelscheid*, einige auch aus Schöneshof, denn auf der Tagesordnung standen zwei Punkte, die diese Ortsteile direkt betreffen.
Tatsächlich ähneln sich beiden Fällen, wobei der Fall in Seelscheid schon eine immense Größe hat und deshalb hier etwas genauer dargestellt werden soll. Ein Investor hat unterhalb des Riedeselweg und entlang der Scherpemicher Straße ein Grundstück von 19.000m² Grünland erworben. Nun hat der Investor einen Antrag an die Gemeinde gestellt, um zu prüfen, ob die planungsmäßigen Voraussetzungen zu schaffen sind, damit dieses Grundstück bebaut werden kann (es sollte also noch nichts entschieden werden). Den visionären Plänen des Investors folgend sollen insgesamt 6 Mehrfamilienhäuser und 16 Doppelhäuser entstehen – alles in ökologisch, nachhaltiger modularer Holzbauweise. Die ökologische Qualität der Pläne wurden durch die Ausführungen des Investors in der Sitzung unwiderstehlich schmackhaft gemacht. Aber die Ausführungen konnten nicht verschleiern, welche Probleme die anwesenden Bürgerinnen und Bürger sowie wir GRÜNE mit dem Vorgang haben.
Abgesehen davon, dass ein Bauvorhaben dieses Ausmaßes den dörflichen Charakter des Ortsteils völlig zerstören würde, übersteigt die Höhe der geplanten Baukörper die bestehenden Häuser deutlich. Außerdem würde der neu entstehende Wohnraum die bestehende Infrastruktur Seelscheids kolossal übersteigen. Es ist zu erwarten, dass die Straßen für den von den neuen Bewohnern verursachten Verkehr gar nicht ausreichen. Ebenfalls wird sich die Abwasserbelastung durch die neue versiegelte Fläche krass zuspitzen. Schließlich bedeutet der Zuzug von rund 62 Familien auf einen Schlag eine Nachfragesteigerung bei Kindergärten und Schulen, die momentan gar nicht zu befriedigen ist.
Letztlich offenbart der Vorgang in Seelscheid* auch eine Entwicklung, die wir GRÜNE nicht unterstützen können. Dass hier ein Investor im großen Stil landwirtschaftliche Flächen aufkauft, um anschließend die Gemeinde zu veranlassen, den Weg zur Bebauung zu bereiten ist nicht tragbar. Nicht nur, dass dadurch sinnvolle Regeln zum Bestandschutz ausgehebelt werden. Es wird im großen Maße das Risiko der Erschließung und der Folgeinvestitionen sozialisiert, während der Investor seinem gewinnorientierten Streben nachgehen kann.
Nicht, dass wir uns missverstehen: wir GRÜNEN haben sicherlich nichts gegen nachhaltige, ökologisch und innovative Bebauung. Wir verschließen uns auch nicht vor den ökonomischen Regeln der Marktwirtschaft, aber der Charakter dieses Projekts hat in vielerlei Hinsicht mehr als ein Geschmäckle. Unserer Meinung nach, ist ein solches Vorgehen überhaupt nur möglich, weil es unserer Gemeinde an einer zeitgemäßen Strategie zur Entwicklung unserer Ortschaften fehlt. Deshalb haben wir uns vor zwei Jahren für die Schaffung eines Ausschusses zur Ortsentwicklung eingesetzt und deshalb haben wir uns in der Ausschusssitzung letzte Woche erfolgreich für die Vertagung einer Entscheidung für Scherpemich und Schöneshof bis zum Abhalten eines Strategietreffens im November eingesetzt.
Wir GRÜNE fühlen uns durch die Gäste in der Ausschusssitzung in unserer Position bestätigt und sind uns sicher: ohne das massive Auftreten der Betroffenen und die vielen guten und treffenden Fragen in der Einwohnerfragestunde, hätten wir GRÜNEN mit unserer Position ganz allein dagestanden und die Beschlussvorlage wäre durchgegangen. Die CDU hat in der Sitzung deutlich gemacht, dass sie prinzipiell in derartigen Projekten ein geeignetes Mittel zur Einwohnersteigerung unserer Gemeinde sieht. Die FDP mit ihrer wahnwitzigen Vorstellung vom ewigen Wachstum durch immer weitere Investitionen, wäre der Beschlussvorlage auch gefolgt. Und bei der SPD weiß man es nicht, aber in der Vergangenheit hat unsere Investoren-freundliche Bürgermeisterin gerne alles abgenickt, was irgendwie nach Kasse klingt.
Dies zeigt: Die gegebene Möglichkeit der Beteiligung lohnt sich. Bitte informiert euch immer über die Inhalte der Ausschuss- und Ratssitzungen im Mitteilungsblatt und schaut über den Bürgerzugang des Ratsinformationssystems in die Vorlagen. Es ist gut, wenn ihr euch für eure Gemeinde interessiert und euren Wünschen und Sorgen Ausdruck verleiht. Denn ein jüngstes Beispiel aus dem Kreis Düren zeigt, dass der Rat gelegentlich an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger vorbei beschließt. In Düren wurde mit 90-prozentiger Zustimmung im Kreisrat die Namensänderung des Kreises beschlossen. Dieser Beschluss wurde hinterher durch einen sehr deutlich ausgefallenen Bürgerentscheid wieder einkassiert. So weit muss es nicht immer kommen. Kommt in die Rats- und Ausschusssitzungen und informiert euch aus erster Hand über die Dinge, die für unsere Gemeinde beschlossen werden.
Vielleicht habt ihr auch Lust bei uns mitzumachen. Dann meldet euch bei kontakt@gruene-nks.de
*In einer früheren Version dieses Artikels und im Mitteilungsblatt ist fälschlicher Weise von Bürgerinnen und Bürgern aus Scherpemich die Rede. In der Tat waren nur drei Bürger aus Scherpemich Gäste der Sitzung. Die meisten Gäste kamen aus der betroffenen Gegend in Seelscheid, Rund um den Riedeselweg und der Scherpemicher Straße. Wir bedauern, wenn es durch die falsche Nennung des Ortsteils zu Irritationen kam. In der Sache ändert das aber nichts.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.