Podiumsdiskussion
Im Klostergebäude der Steyler Missionare in Sankt Augustin, diskutierten am 30.10.2019 auf Einladung der BUND-Kreisgruppe Rhein-Sieg und gefördert durch die Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW, verschiedene Akteure aus Politik, Wissenschaft und Städteentwicklung zum Thema „Neuer Wohnraum, Klimaanpassung und Umweltschutz: Passt das zusammen?“.
Mit dem provokanten Begriff der „Bauscham“ , führte der Hauptreferent des Abend, Daniel Fuhrhop, Stadtentwicklungsexperte von der Universität Oldenburg, mit seiner Forderung und Streitschrift „Verbietet das Bauen“ ein in das Spannungsfeld Bauen versus Umweltschutz.
Weitere Podiumsteilnehmer waren der Meteorologe Dr. Carsten Brand; der Vorsitzende des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz und Landwirtschaft im Rhein-Sieg-Kreis, Dr. Josef Griese; Wolfgang Züll, Stadtplaner in Sankt Augustin; Rainer Gleß, Erster Beigeordneter, Fachbereich Stadtplanung und Bauordnung; Petra Heising und Thomas Abraham, Experten für Wohnungsmärkte und Stadtentwicklung, Empirica. Moderiert wurde die Diskussion von Andreas Vollmert, Journalist und Mediator.
Der Bereich Wohnen, so Furhop, ist für einen Großteil des CO2-Ausstoßes in Deutschland verantwortlich. Verschiedenen Studien zufolge entstehen 20 bis 40 Prozent der CO2- Emissionen beim Heizen und auch beim Bauen. Ursächlich sind die dabei verwendeten Rohstoffe . Z.B. Beton, sei extrem energieintensiv. Die Herstellung von Zement, wiederum wichtiger Bestandteil von Beton, ist laut einer Analyse der Umweltschutzorganisation WWF, alleine in Deutschland für zwei Prozent aller CO2-Emissionen verantwortlich. Weltweit sind es sogar acht Prozent. In Deutschland werden täglich 58 Hektar Fläche verbraucht. Dies entspricht einer Größenordnung von über 80 Fußballfeldern am Tag. Damit gehen wertvolle Acker- und Erholungsflächen verloren. Biotope werden unwiderruflich zerstört. Im Hinblick auf die viel umworbenen Energiesparhäuser lässt sich mit Hilfe der Lebenszyklusanalalyse der Gebäude festhalten, dass die Erstellungsenergie z.T. größer ist, als die gesamte Heizenergie.
Nach dem Motto „Ohne Bauen Wohnraum schaffen“ stellte Fuhrhop diverse Projekte vor, die einen Einblick in die Möglichkeiten und Chancen zukünftigen Wohnens vor dem Hintergrund der aktuellen Klimadebatte bieten, wie z.B. das Neubau Wohnprojekt Wagnisart in München. Hier wurde der Flächenverbrauch pro Person verringert, indem man sich Räume wie z.B das Gästeappartement, den Werkraum, einen Musikraum, den Waschraum und einen Toberaum für Kinder als Gemeinschaftsräume teilt. Ein anderes Projekt, das französische Viertel in Tübingen, überzeugt durch Straßen ohne Autoverkehr und Verkaufsflächen, Handwerksbetriebe und Büros in den unteren Etagen. Fahrzeuge werden in Quartiersgaragen abgestellt, so dass der oben beschriebene Einzelhandel durch die unmittelbar vorbeilaufenden Passanten und Anwohner höher frequentiert wird und damit gegenüber der Konkurrenz großer Handelsketten eher bestehen kann. Das Stadtviertel bleibt belebt und ist aufgrund des fehlenden Straßenverkehrs zugleich ein Ort der Begegnung und Erholung.
Das Studierendenwerk Freiburg hat das Modell „Wohnen für Hilfe“ ins Leben gerufen. Vermieter mit Hilfebedarf bieten Wohnraum mit reduzierten Mieten an und erhalten dafür Unterstützung bei verschiedensten Aufgaben im Alltag. Das Studierendenwerk koordiniert Angebot und Nachfrage und vermittelt in Wohnpartnerschaften. Das Projekt gibt es seit 2002 und ist inzwischen nicht nur, wie ursprünglich vorgesehen für Studierende geöffnet, sondern richtet sich genauso an Azubis und Menschen mit geringem Einkommen.
Ein weiteres Thema war der Leerstand abgetrennter Wohnungen in Häusern, die einst für Familien geplant und gebaut wurden. Nach dem Auszug der Kinder oder dem Tod eines Partners leben ältere Menschen oft alleine in diesen Häusern. Mit welchen Mitteln können Kommunen hier Unterstützung anbieten und z.B. durch Förderung von Umbaumaßnahmen Wohnraum schaffen? Laut Ergebnis eines Forschungsprojektes in Osnabrück stehen allein dort 60 % der abgetrennten Wohnungen leer. Im Kreis Steinfurt sind es 5.000 Wohnungen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Wohnungsnot in Städten und Kommunen, wird hier ein riesiges Potential sichtbar.
Das Projekt Raumteiler in Baden Württemberg ist ein gemeinsames Projekt des Staatsministeriums Baden-Württemberg und des Städtetags Baden-Württemberg. Ziel ist, landesweit mehr privaten Wohnraum zu vermitteln.
Gerade Familien mit Kindern, Geflüchtete, Menschen mit Behinderung oder geringem Einkommen und ältere Bürger sind vorrangig von Wohnungsnot betroffen. Zukünftig sind Visionen gefragt, wie Wohnen im 21. Jahrhundert sozialverträglich und klimagerecht aussehen könnte.
Sylvia Greuel
Sachkundige Bürgerin
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