Einen Schritt zurück

Wiederaufnahme eines unsinnigen Straßenausbauprogramms

Am vergangenen Donnerstag, den 17.06 tagte der Ausschuss Planen, Bauen und Wohnen. In der Sitzung wurde eindrucksvoll demonstriert, warum uns Konservatismus und Ignoranz in der Gemeinde nicht weiterbringen werden.

Auf der Tagesordnung stand die Wiederaufnahme des Straßenausbauprogramms der Gemeinde. Dieses Programm wurde 2009 gestoppt und umfasst eine Prioritätenliste von 20 nicht endgültig ausgebauten Straßen. Das heißt, es fehlen zum Teil Straßenbeläge, Entwässerungen oder Kanalanschlüsse. CDU und SPD stimmten im Ausschuss für die Wiederaufnahme der Baumaßnahmen, wir GRÜNEN haben abgelehnt – und zwar aus drei guten Gründen.

Unnötiger Straßenbau ist klimaschädlich. 2021 sieht die Welt anders aus als 2009. Zwischenzeitlich ist Deutschland beispielsweise dem Pariser Klimaabkommen beigetreten. Damit hat sich auch Neunkirchen-Seelscheid dazu verpflichtet, einen Beitrag zu leisten die Klimaerwärmung zu begrenzen. Baumaßnahmen sind weltweit für ca. 40% des Ausstoßes klimaschädlicher Emissionen verantwortlich. Tiefbau und das Abschälen und Asphaltieren von Straßen haben eine erhebliche Auswirkung auf die Umwelt. Hier wäre es geboten, jede einzelne Ausbaumaßnahme kritisch zu hinterfragen. Die Versiegelung von Flächen trägt außerdem zur Austrocknung von Böden bei. Durch das Ergebnis der Abstimmung kann erwartet werden, dass wir uns als nächstes im Rat mit zu trockenen Böden und überforderten Kanäle beschäftigen müssen. Dass die Gemeinde pauschal 20 Straßen versiegeln will, ohne darzustellen, inwieweit die Sanierungen notwendig sind, ist der richtige Weg, um wenigstens an einer Stelle mal Erster zu sein: nämlich bei der Verfehlung der Klimaziele bis 2030.

Die Wiederaufnahme des Straßenbauprogramms ist sozial ungerecht. Die Beschlussvorlage sieht eine ausreichende Vorlaufzeit vor, damit den Anliegern eine Möglichkeit zur „finanziellen Vorsorge […] auf künftig zu entrichtende Straßenausbaubeträge“ gegeben werden kann. Das wird auch nötig sein. Die Sanierung der Straßen kann den Anliegern nämlich schnell einen mittleren fünfstelligen Betrag kosten. Die Befürworter der Sanierungen gaben im Ausschuss den wohlfeilen Hinweis, der Ausbau trage zur Wertsteigerung der Grundstücke bei. Das mag richtig sein – ist aber für all jene völlig irrelevant, die ihren Lebensabend in ihrem Häuschen verbringen wollen. Oder jenen, die gerade mal genug haben, um ihr Häuschen abzuzahlen. Wir GRÜNEN hätten uns schon deshalb gewünscht, dass die Anlieger hier ins Boot geholt werden und die Sanierung der Straßen davon abhängig gemacht wird, ob die Sanierung gewünscht ist. So mancher würde € 30.000 vielleicht lieber in eine energetische Sanierung seines Hauses stecken. Die ist auch wertsteigernd und dazu auch noch nachhaltiger.

Die Wiederaufnahme des Straßenbauprogramms ist uns zu teuer. Die von der Gemeinde vorgelegten Kostenschätzungen in der Beschlussvorlage sehen erhebliche Kostensteigerungen bei den geplanten Sanierungen vor. Belief sich die Gesamtsumme der Kosten 2008 noch auf rund € 2,9 Mio, wird 2021 mit Kosten von € 5,5 Mio gerechnet. Einzelne Projekte haben sich über 100% verteuert. Für eine Gemeinde, die sich eigentlich nichts leisten kann, ist das eine ziemliche Herausforderung. Wir hätten auch deshalb eine selektive Neuaufnahme des Straßenausbaus bevorzugt. Die pauschale Wiederaufnahme des Programms wird die Gemeinde unnötig viel Geld kosten.

Letztlich kommt in dem Mehrheitsbeschluss zum Ausdruck, was leider der Kern der Problematik ist. Es wird beharrlich an der Idee festgehalten, dass sich die Wohlfahrt unserer Gemeinde an Wachstum und Konsum messen lässt. Die vermeintliche Verbesserung von Infrastruktur durch die Sanierung von Sackgassen und Anliegerstraßen mit drei, vier Häusern, wird auf Kosten der nächsten Generationen vorangetrieben. Wir GRÜNEN hätten euch diesen Unsinn gerne erspart.

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