Eindämmung der Lichtverschmutzung durch Erstellung einer Beleuchtungssatzung

20.06.2022

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,

Licht vermittelt seit jeher ein Gefühl von Atmosphäre und stillt das Bedürfnis nach Wärme und Geborgenheit.

Doch Licht hat auch Schattenseiten. Menschen kommen durch Dauerbeleuchtung nicht mehr zur Ruhe. Nachtaktive Insekten sterben massenweise an künstlichen Lichtquellen und/oder werden in der Fortpflanzung oder Nahrungssuche behindert. Tagaktive Tiere werden im natürlichen Tag- und Nachtrhythmus massiv gestört. Arten wie Eulen, Fledermäuse und Nachtfalter sind besonders betroffen. Viele finden sich in den Listen gefährdeter Arten.

Leider nimmt das Problem dieser sog. Lichtverschmutzung in jüngerer Vergangenheit durch den falschen Einsatz der grundsätzlich guten und energieeffizienten LED-Technik zu.

Alte Glühlampen werden durch LEDs ersetzt, die viel zu stark und dann auch noch mit zu hohem Blauanteil leuchten. Gerade Licht mit Blauanteil ist aber besonders schädlich, da kurzwelliges Licht besonders auf nachtaktive Insekten anziehend wirkt.

Hinzu kommt ein sog. Rebound-Effekt: LED-Lampen sind so günstig und effizient, dass im Vergleich zu den alten konventionellen Lampen viel zu viele und zu helle LEDs betrieben werden.

Diesem negativen Trend soll unsere Gemeinde entgegentreten.

Wir stellen folgenden Antrag:

Der Rat der Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid beauftragt die Verwaltung, eine Beleuchtungssatzung mit dem Ziel zu erstellen, die Lichtverschmutzung so weit wie möglich zu reduzieren.

Für die Erstellung einer Beleuchtungssatzung liegt dem Antrag in der Anlage eine Mustervorlage (der Gemeinde Nachfreundheim) bei. Auf jeden Fall sollen die folgenden Aspekte in der Beleuchtungssatzung Berücksichtigung finden.

Straßenlampen ohne Blauanteil

Es sollen nur noch Amber LEDs Straßenlampen ohne Blauanteil mit ~1800K aufgestellt werden.

Wirklich nur die Straßen beleuchten

Soweit technisch möglich, sollen Straßenlampen durch z.B. Abschirmungsbleche, Abklebungen oder ähnliche Maßnahmen so angepasst werden, dass diese wirklich nur noch Straßen beleuchten und angrenzende Grundstücke und Natur von direkter Beleuchtung abgeschirmt werden. Neue Straßenlampen müssen von vornherein so beschaffen sein, dass sie dies gewährleisten.

„intelligente“ Straßenlampen

Es sollen möglichst „intelligente“ LED-Straßenlampen eingesetzt werden, die bedarfsorientiert leuchten. Gemeint sind Lampen ohne Bewegungsmelder, aber mit mehrstufiger Dimmung bis hin zur kompletten Abschaltung über Zeit, Umgebungslicht, etc. (die Erfahrung anderer Gemeinden hat gezeigt, dass Straßenlampen mit Bewegungsmeldern mehr Probleme verursacht haben, als sie lösten).

Abbau von nicht benötigten Straßenlampen

In NRW gibt es keine gesetzliche Beleuchtungspflicht. Daher muss letztlich jede Straßenlampe Neunkirchen-Seelscheids auf den Prüfstand. Es ist der tatsächliche Beleuchtungsbedarf festzustellen, z.B. durch Beurteilung des Gefährdungspotentials und Messungen des Verkehrsaufkommens. Unnötige Lampen können in der Folge verschwinden.

Die Gemeinde geht mit gutem Vorbild voraus und überprüft die Notwendigkeit der bestehenden Außenbeleuchtungen aller gemeindlichen Gebäude. Das Ziel muss sein, dass möglichst wenig Licht in die Umwelt gelangt.

Begründung

Als eine der Hauptursachen für den dramatischen Verlust der nacht- und dämmerungsaktiven Insekten und Tiere wird der übertriebene Einsatz von Licht angesehen. Durch die Verringerung der Außenbeleuchtung wirkt unserer Gemeinde diesem massiven Rückgang an Biodiversität entgegen und leistet einen weiteren Beitrag für die positive Entwicklung von Umwelt, Natur und Klima.

Die Maßnahmen helfen bei der Energie- und somit auch Geldeinsparung, der Gesundheit der Bevölkerung, der Vermeidung von Nachbarschaftskonflikten, sowie dem Erhalt und der Verbesserung des nächtlichen Landschafts- und Ortsbilds.

Mit einer Beleuchtungssatzung ist die Gemeinde in der Lage, den Gebrauch von Außenbeleuchtungen zu regeln. Grelles Ausleuchten von Gärten und Hausfassaden ist oft der Grund für Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn. Eine Beleuchtungssatzung kann hier für Klarheit sorgen.

Dass die LED-Technik sehr stromsparend Licht erzeugt, ist allgemein bekannt. Jedoch sind die von der Gemeinde aktuell als Ersatz für die alten Straßenlampen eingesetzten LED-Lampen viel zu grell und blenden extrem (z.B. am Antoniusplatz oder „Im Thomasgarten“). Die Licht-Farbe hat einen sehr hohen Blauanteil, der besonders anziehend und daher sehr schädlich für Insekten ist. Daher sollen in Zukunft nur noch Straßenlampen ohne Blauanteil (~1800K s.g. Amber LEDs) aufgestellt werden.

Es ist nicht zu verstehen, warum Straßenlampen mehr als nur die Straßen beleuchten. Diese so technisch zu verändern, z.B. durch Abschirmungsbleche, Abklebungen oder ähnliche Maßnahmen, sollte kein Problem sein. Angrenzende Grundstücke bzw. Natur werden so vor direkter Beleuchtung geschützt.

Auch eine automatische Dimmung bis hin zur Abschaltung in Abhängigkeit von Uhrzeit, Umgebungslicht, etc. ist mit der heutigen „intelligenten“ Technik machbar.

Eine Beleuchtung ist in NRW gesetzlich gar nicht vorgeschrieben. Die oft herangezogene DIN 13201-1 ist veraltet und lediglich eine Industrienorm, die keine gesetzliche Regelung darstellt. Hier muss dringend ein Umdenken und eine Abkehr von dieser von der Beleuchtungsindustrie aufgestellten Norm stattfinden. Daher: Ein Abbau oder erst gar kein Aufbau von Straßenlampen ist möglich, spart Steuergelder für Strom plus Instandhaltung und schützt die Natur zugleich.

Im Sommer vergangenen Jahres ist eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes beschlossen worden („Gesetz zum Schutz der Insektenvielfalt“) mit dem Ziel, zukünftig auf der gesamten Landesfläche „…neu zu errichtende Beleuchtungen an Straßen, Wegen, Außenbeleuchtung baulicher Anlagen und Grundstücke sowie beleuchtete oder lichtemittierende Werbeanlagen technisch und konstruktiv so anzubringen, mit Leuchtmitteln zu versehen und so zu betreiben, dass Tiere und Pflanzen wildlebender Arten vor nachteiligen Auswirkungen von Lichtimmissionen geschützt sind.“

Hinzu kommt, dass der Bund schon seit längerem laut Bundes-Immissionsschutzgesetz Licht als schädliche Umwelteinwirkung bezeichnet, welche auf Menschen, Tiere und Pflanzen, den Boden, das Wasser, die Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter einwirkt.

Auch die (oft vermeintlich genannte) Sicherheit bleibt gewährleistet: denn Licht vermittelt ein falsches Gefühl von Sicherheit. Untersuchungen ergaben, dass an dunklen Orten nicht mehr Zwischenfälle vorkommen, als an hell beleuchteten. Im Gegenteil. Bei Licht werden Autos öfters aufgebrochen, es wird viel schneller gefahren, usw. (mehr siehe Anlage G).

Das menschliche Auge gewöhnt sich sehr schnell an geringe Lichtstärken. Geringes Licht und Leuchtmittel mit 1800K (sog. Amber LEDs) lassen Farben zwar etwas verblassen, aber sie erhöhen den Kontrast und fördern damit sogar noch das Erkennen von Objekten. Die Blendwirklung ist viel geringer. Man sieht viel schneller wieder Dinge in unbeleuchteten Bereichen.

Die im Anhang dieses Antrags zu findende Muster-Vorlage „Lichtleitlinie der Gemeinde Nachfreundheim“ (Anhang A), die Planungshilfen (Anhänge B bis D) und die weiteren Dokumente (Anlagen E bis G) bieten sehr gute Informationen, um den Arbeitsaufwand für die Verwaltung zu minimieren.

Die Gemeinde kann mit diesen Maßnahmen einen weiteren kleinen Schritt zu mehr Umwelt- und mehr Klimaschutz gehen und zeigen, dass sie bereit ist neue Wege zu gehen.

Finanzielle Auswirkungen

Der Antrag besteht hauptsächlich aus drei Punkten, die sich finanziell bemerkbar machen.

  1. Die Verwaltung erhält mit der Anlage A ein Muster zur Aufstellung einer Lichtleitlinie (Punkt 2.1), die leicht angepasst übernommen werden kann. Der Aufwand ist daher gering.
  2. Die Umrüstung der Straßenlampen auf LED (Punkt 2.2) ist im Haushalt 2022 bereits mit 57T€ eingeplant. Für eine Umrüstung auf Amber-LED werden vergleichbare Kosten entstehen, wie bei den „falschen“ LEDs. Landes- und Bundesförderungen können ebenso in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus wird eine Außerbetriebnahme bzw. ein Abbau von Straßenlampen mittelfristig sogar Geld einsparen.
  3. Für die Überprüfung aller gemeindlichen Gebäude (Punkt 2.3) werden aufgrund der begrenzten Anzahl von Gebäuden und Lampen nur geringe Kosten entstehen.

Abschließend bleibt zu bemerken: Wenn man die Einsparungen durch die Außerbetriebnahme bzw. den Abbau von Straßenlampen gegen die Ausgaben rechnet, so nähert man sich unserer Einschätzung nach vermutlich einer Kostenneutralität an.

Ganz sicher ist hingegen die positive Auswirkung auf die Umwelt.

Mit freundlichen Grüßen,

Stefan Gerlach

Fraktionsvorsitzender B90/Die Grünen

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